Archiv für die Kategorie 'Talente'

Ich treffe heute die Fotografin Merlin Nadj-Torma, sie lebt in Berlin und arbeitet als freiberufliche Fotografin. Ihr bekommt einen kleinen Einblick von ihrem Fotografen-Alltag. Im Interview berichtet Merlin über den letzten Besuch ihres Workshops, der spieziell für Journalisten und Fotografen ist, die in Krisengebieten arbeiten.

Anna: Hallo Merlin, du hast dein Studium zur Fotografin an der FH-Hannover gemacht und bereits abgeschlossen, warum hast du dich für ein Studium entschieden und nicht für eine Ausbildung?
Merlin: Im Gegensatz zu einer Ausbildung, die sich doch stark auf das Handwerk konzentriert, war mir eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Medium Fotografie sehr wichtig. Da hat sich ein Studium angeboten. Ich wollte wissen, wie man ein gutes Bild macht oder eine Geschichte erzählt, das Interesse an Technik war für mich eher zweitrangig. Trotzdem habe ich mir im Studium das eine oder andere Mal mehr Technik gewünscht, ich habe dann aber parallel dazu assistiert und auf diese Weise viel praktische Erfahrungen z.B. mit Licht und Studio-Equipment sammeln können.

Anna: In der FH-Hannover liegt der Schwerpunkt der Ausbildung auf der Reportage-Fotografie. Um eindrucksvolle Reportagen zu fotografieren, geben sich einige Profis oft in Gefahr. Ist das auch einer der Gründe, warum du ein Seminar zum Schutz und Verhalten in Krisenregionen besucht hast?
Merlin: Ich habe zwar nicht unbedingt vor, mich in Gefahr zu begeben, dennoch kann es durchaus sein, dass mich das eine oder andere Projekt an Orte bringt, an denen die Lage nicht stabil ist und Situationen plötzlich kippen können. In der Vergangenheit habe ich mehrfach in Nachkriegsgesellschaften fotografiert, im Libanon oder auf dem Balkan. Dort gibt es z.B. noch etliche Minenfelder und eine hohe Militärpräsenz. Daher dachte ich, dass die Teilnahme an einem Workshop für Journalisten in Krisengebieten nur sinnvoll sein kann. Man wird für mögliche Gefahren sensibilisiert, wird Stress-Situationen wie z. B. Kontrollen oder einer
Geiselnahme ausgesetzt und bekommt Möglichkeiten aufgezeigt, wie man mit ihnen umgehen kann, bzw. welche Konsequenzen das eigene Verhalten haben kann. Gleichzeitig lernt man einiges über die Denkweise des Militärs und anderer Konfliktparteien.

Anna: Du hast mir schon mehrfach von deinen Fotoreisen erzählt. Was war das witzigste, aufregendste oder spektakulärste Fotoshooting, das du hattest?
Merlin: Oh, ich habe schon viel Aufregendes erlebt (lacht)! In Serbien wurde ich z. B. einmal von einer Roma-Familie gebeten, die Geburtstagsfeier des zehnjährigen Enkels zu fotografieren. Ich erwartete einen “üblichen” Kindergeburtstag, bei der Freunde des Jungen da sein würden, es Kuchen gäbe, usw. Als ich dann aber in die Straße einbog, wo die Familie wohnte, hörte ich schon von weitem Musik. Und was mich erwartete, überstieg all meine Vorstellungen: Es waren ungefähr 200 Gäste geladen, die vor einem extra aufgebauten Zelt zusammen zur Musik einer Roma-Band sangen und tanzten. Der Junge wurde mit Geschenken überhäuft, es wurde viel getrunken und das Ganze erinnerte eher an eine Hochzeitsfeier als an einen Geburtstag.
Ein weiteres sehr beeindruckendes Erlebnis war, als ich vor einiger Zeit in einem Kalibergwerk fotografiert habe. Wir sind mit Jeeps die Schächte entlanggefahren (ich wusste bis zu diesem Zeitpunkt nicht, dass man unter Tage auch Auto fahren kann). Bei 1300 m unter der Erde und über 60 Grad Hitze habe ich dann Bilder gemacht. Das hat schon sehr an meinen Kräften gezerrt, aber es war auch unheimlich spannend.

Anna: Welche Pläne hast du für die nächste Zeit?
Merlin: Immer schon habe ich an sehr unterschiedlichen Projekten gearbeitet, sowohl an dokumentarischen als auch inszenierten. So werde ich wohl auch in der nächsten Zeit weiterarbeiten. Außerdem möchte ich mich
auch gerne wieder Richtung Film bzw. Video bewegen, denn ich sehe mich eher als Visual Storyteller als als reine Fotografin. Als nächstes aber werde ich in den Nahen Osten fahren, um dort an einem Projekt zu fotografieren, für das ich kürzlich ein Stipendium erhalten habe.

Herzlichen Dank an Merlin! Wer mehr über ihre Arbeit erfahren möchte, kann gerne auf der Homepage von Merlin Nadj-Torma vorbeischauen.